Ein offener Brief

Aktuell Niedersachsen

Marco Brunotte (SPD) kündigte in seiner Rede an, dass das Gesetz zur Pflegekammer Niedersachsen in der kommenden Legislaturperiode bereits reformiert werden müsse – und zwar stehe die Integration in das Heilberufsgesetz (Kammergesetz für die Heilberufe, HKG) an!
Ich gratuliere allen Pflegekräften in Niedersachsen zu diesem Erfolg und bedanke mich herzlich für Ihr und Eurer persönliches Engagement, dass hierfür unerlässlich war! Jetzt liegt es an uns Pflegekräften, die Pflegekammer Niedersachsen tatsächlich auf den Weg zu bringen und zu gestalten! Niemand anderes wird das für uns übernehmen. Keine „Experten“ aus anderen Berufsgruppen werden darüber bestimmen, wie die Pflegekammer arbeitet. Und wenn die errichtete Pflegekammer tatsächlich „ineffektiv“ arbeitet, „Fehler“ macht oder dies auch nur in der Öffentlichkeit so erscheint, dann können wir Pflegende niemanden anderes als uns selbst dafür verantwortlich machen. Und das ist großartig! Selbstverwaltung bedeutet, Selbstverantwortung zu übernehmen. Nur, das müssen wir Pflegekräfte in der Gesamtheit erst lernen. Von heute auf morgen sind also keine „Wunder“ zu erwarten. Jeder einzelne von uns ist jetzt aufgerufen, die Pflege, den Pflegeberuf in Niedersachsen über die Mitarbeit am Aufbau unserer Pflegekammer zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen. Unsere Berufsgruppe ist sehr heterogen und die festen Standpunkte, subjektiven Meinungen, berufsfachlichen und (berufs)politischen Kenntnisse sowie die jeweilige pflegeprofessionelle Haltung der einzelnen Pflegekräfte entsprechend unterschiedlich.
Wer die Beratung zum Gesetz persönlich im Landtag oder im Livestream verfolgt hat, der wird sich vielleicht genauso wie ich über die Gegenreden von CDU und FDP geärgert haben. Die immer gleichen Argumente zeigen, dass sich aus Sicht der Pflegekammergegner nichts ändern soll. Beschwichtigend wird zwar davon geredet, dass die Pflege doch „mehr Anerkennung“ verdient habe, dies aber mit der Pflegekammer nicht erreicht werden könne. Schließlich seien Arbeitgeber und Gewerkschaften für die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen und insbesondere für die Vergütung der Pflegekräfte zuständig – und deshalb seien Arbeitgeber und Gewerkschaften auch gegen die Kammer! Als ob eine Pflegekammer die Gewerkschaften und die Arbeitgeber daran hindern würde, die genannten Bedingungen (Gehalt und Arbeitsbedingungen) zu verbessern! Ganz davon abgesehen, dass es viele Arbeitgeber und gewerkschaftlich organisierte Pflegekräfte gibt, die die Einrichtung der Pflegekammer begrüßen. Bislang war keine Pflegekammer da, die verhindert hätte, dass die Bedingungen zur Ausübung des Pflegeberufs verbessert werden – dennoch wird seit Jahrzehnten über „Pflegenotstand“ und den „schlechten Arbeitsbedingungen“ von Pflegekräften diskutiert.
Es liegt auch in diesem Punkt an uns, etwa die Tarifpartner oder die traditionellen Institutionen der gemeinsamen Selbstverwaltung: Die Verbände der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVs) und die Krankenhausgesellschaften beziehungsweise deren bundesweite Spitzenorganisationen daran zu erinnern, dass sie „die Pflege“ aufwerten wollen bzw. „mehr Anerkennung“ für die Pflegekräfte fordern. Die Pflegekammer Niedersachsen wird sie nicht daran hindert – ganz im Gegenteil! Wer die ersten Schlagzeilen, die nach Verabschiedung des Gesetzes erschienen sind, gelesen oder überflogen hat, von „Nutzloses Bürokratiemonster auf Kosten der Pflegekräfte“ bis „Pflegende in Niedersachsen bekommen Pflegekammer“, der wurde noch einmal daran erinnert, dass die Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern tief sind – dazwischen diejenigen, die noch keine gefestigte Meinung haben. Nicht alle Gegner der Pflegekammer sind auch tatsächlich Pflegekräfte – aber es gibt viele Pflegekräfte unter den Gegnern. Unsere Aufgabe wird sein, diese Gräben zuzuschütten und alle – im Sinne der Interessen der Gesamtheit der Berufsgruppe der Pflege – an einen Tisch zu bekommen. Es darf nicht passieren, dass die sehr kurze Zeit zur Vorbereitung und Durchführung der ersten Wahl zur Kammerversammlung mit Grabenkämpfen ausgefüllt wird. Die berechtigten Interessen aller Pflegekräfte müssen in der Pflegekammer vertreten sein – hierfür braucht es kritische Köpfe. Die Pflegekammer ist kein Selbstzweck und die Pflegekammer wird nicht mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes alle Probleme der Pflege lösen.
Wir sind es, die den Einfluss unserer Interessenvertretung in den Organen der Selbstverwaltung bestimmen. Wir sind es, die die Gewerkschaften stark machen und sie auffordern, für die Interessen der Berufsgruppen der Pflege konsequent einzutreten. Wir sind es, die die Agenda der berufsfachlichen und berufspolitischen Diskussionen über unsere Berufsverbände bestimmen. Und wir Pflegekräfte sind es, die die Pflegekammer Niedersachsen gestalten und wir sind es auch, die die Wirkung einer Bundespflegekammer mitbestimmen.
Ich wünsche uns, dass wir uns als Berufsgruppe nicht wegducken vor den immer größer scheinenden Herausforderungen – sondern dass wir uns zusammenschließen. Mit der Pflegekammer Niedersachsen hätten wir die einmalige Chance dazu – packen wir es an!

Ihre
Sandra Mehmecke
Master of Arts - Education Sciences and Management for Nursing and Health Care Professionals
Bachelor of Arts (Nursing)
Gesundheits- und Krankenpflegerin

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