Niedersachsen setzt guten Willen der Pflegefachpersonen aufs Spiel

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Arbeitszeitgesetz außer Kraft | In Niedersachsen gilt seit dieser Woche, dass Pflegefachpersonen zur pandemischen Verfügungsmasse erklärt werden. Der Gesetzgeber hat per Allgemeinverfügung das Arbeitszeitgesetz ausgesetzt und die zulässige Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche verlängert. Familiäre und finanzielle Entschädigungen sind hierbei bisher nicht im Gespräch. Begründet wird die Maßnahme damit, dass durch die bedrohliche COVID-19-Pandemie ein öffentliches Interesse für die Einschränkung der Arbeitnehmerrechte gegeben sei.

Im Frühjahr hatte Hannover noch eine Notklinik auf dem Messegelände eingerichtet und dafür einen zweistelligen Millionenbetrag veranschlagt. Wer im Zweifel die bis zu 500 Intensivpatienten dort betreuen sollte, darüber konnte das Land bis dato keine Auskunft geben. Im Mai scheiterte die niedersächsische Landesregierung gegen Ärzte- und Pflegekammer bereits mit der Einbringung einer halbgaren Dienstverpflichtung von Berufsaussteiger/innen. Nun lässt die Landesregierung abermals die Hosen runter und offenbart ihre Pläne, die auf Kosten beruflich Pflegender gehen sollen und von diesen als ein respektloses Zeichen wahrgenommen werden, welche das Fass zum Überlaufen bringen und den gepeinigten guten Willen der Pflegefachpersonen gefährden.

So fordern die Verfehlungen der zurückliegenden Jahre ihren Tribut was die politische Stimmung der Pflegefachpersonen betrifft: In Niedersachsen werden Pflegefachpersonen im Bundesdurchschnitt unterdurchschnittlich vergütet, die Landesregierung hat bisher wenig zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und professionellen Entwicklung der Pflegeberufe beigetragen und in der COVID-19-Pandemie keine überzeugenden Lösungen zum Schutz beruflich Pflegender geliefert.

Das Resultat niedersächsischer Pflegepolitik: die Arbeitsbedingungen haben sich stetig verschlechtert, Pflegepersonal fühlt sich weder wertgeschätzt noch als eine relevante Säule der zukünftigen Gesundheitspolitik gestärkt.

„Niedersachsen schreitet in Sachen Pflegepolitik leider abermals mit schlechtem Beispiel voran anstatt lösungsorientiert zu handeln“, so Martin Dichter, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe DBfK Nordwest e.V.

Die Lösungsbausteine gegen den grassierenden Mangel an Pflegefachpersonen kann keine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte sein.

Stattdessen fordert der DBfK:

1. Pflegefachpersonen verdienen ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro (brutto) anstatt eines aktuellen Gehalts, von dem sie kaum leben können und das sie bei einer Stellenreduzierung am Ende der Erwerbsbiographie in die Altersarmut treibt.
2. Beruflich Pflegende erwarten bessere und attraktive Arbeitsbedingungen anstatt Bedingungen, die sie aus dem Beruf treiben. Hierzu zählen verlässliche Dienstpläne, den Bedürfnissen von Pflegenden entsprechende Unterstützungsangebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein Verhältnis von Pflegenden zu Patienten, das sich am bestehenden Pflegebedarf orientiert (Stichwort: Personalbemessung) und das ein definiertes Mindestmaß niemals unterschreiten darf (Stichwort: Mindestpersonalvorgaben).
3. Anerkennung der pflegefachlichen Kompetenz durch die Gewährung entscheidungsberechtigter Mitsprache in allen pflegerelevanten Bereichen sowohl auf betrieblicher Ebene sowie im Land Niedersachsen.
4. Ausreichende Testkapazitäten, persönliche Schutzausrüstung und Unterstützungssysteme und klare Prozessbeschreibungen während der COVID-19-Pandemie.

Quelle: Pressemitteilung des DBfK Nordwest e. V.

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